Die Tricks der Versicherer bei der Berufsunfähigkeitsversicherung: Ein Fall aus der Praxis
Wie Versicherer berechtigte Ansprüche verzögern – und was Sie dagegen tun können
Eine Berufsunfähigkeitsversicherung (BU) soll finanzielle Sicherheit bieten, wenn die eigene Arbeitskraft verloren geht. Doch wer glaubt, dass im Ernstfall einfach und schnell Leistungen ausgezahlt werden, erlebt häufig eine unangenehme Überraschung. Versicherer prüfen Anträge äußerst genau – was grundsätzlich sinnvoll ist, aber oft in eine gezielte Verzögerungs- oder Ablehnungsstrategie umschlägt.
In diesem Beitrag zeigen wir anhand eines realen Falls aus unserer Praxis, wie Versicherungen vorgehen, welche juristischen Feinheiten dabei eine Rolle spielen – und wie wir Betroffene konsequent bei der Durchsetzung ihrer Ansprüche unterstützen.
Fallbeispiel: Der Antrag von Herrn Mustermann – und die Strategie der Versicherung
Unser Mandant, Herr Mustermann, hat aufgrund gesundheitlicher Probleme eine BU-Rente beantragt. Die Reaktion der Versicherung? Statt einer sachlichen Prüfung folgte eine Reihe von typischen Einwänden:
- Zweifel an der Tätigkeitsbeschreibung
- Infragestellung der gesundheitlichen Beeinträchtigungen
- Wiederholte Nachforderungen von Unterlagen
- Argumentation mit angeblich unzulässigen Arbeitszeiten
- Blockadehaltung der Rechtsschutzversicherung
Diese Punkte zeigen exemplarisch, wie Versicherungen versuchen, Zeit zu gewinnen, Druck aufzubauen oder sogar eine Ablehnung zu rechtfertigen. Doch mit dem richtigen Know-how und einer fundierten Gegenstrategie kann man dem etwas entgegensetzen.
Die Tätigkeitsbeschreibung: Häufig erster Angriffspunkt der
Versicherung
Der erste zentrale Baustein eines BU-Antrags ist die Tätigkeitsbeschreibung. Laut Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (BGH) muss der Versicherte seine zuletzt ausgeübte Tätigkeit präzise schildern. Nur so kann die Versicherung beurteilen, ob die gesundheitlichen Einschränkungen tatsächlich zu einer Berufsunfähigkeit führen.
Konkret muss die Beschreibung folgende Punkte enthalten:
- Detaillierte Auflistung der regelmäßigen Tätigkeiten (nicht nur in Stichpunkten)
- Angaben zu körperlichen, geistigen und psychischen Anforderungen
- Angaben zur Arbeitszeit pro Tag und Woche
- Beschreibung von Belastungsspitzen, Überstunden, Zeitdruck und Verantwortung
Im Fall von Herrn Mustermann, tätig im universitären Projektmanagement, wurden regelmäßige Wochenarbeitszeiten von 47,5 bis 50 Stunden angegeben. Die Versicherung stellte diese infrage – mit Verweis auf das Arbeitszeitgesetz. Dabei ist juristisch längst klar: Für die Beurteilung der Berufsunfähigkeit zählt nicht die gesetzlich zulässige, sondern die tatsächlich ausgeübte Tätigkeit. Überstunden, Mehrbelastungen und projektbedingter Zeitdruck gehören zur beruflichen Realität vieler Arbeitnehmer.
Der Leistungsmanager konnte durch Zeiterfassungen, Projektunterlagen und ein schriftliches Statement seines Vorgesetzten, Dr. Achim Dilling, klar belegen, dass diese Arbeitszeiten korrekt und plausibel waren.
Gesundheitsprüfung: Wenn Einschränkungen kleingeredet werden
Versicherer versuchen häufig, gesundheitliche Einschränkungen zu relativieren – besonders dann, wenn es um psychische Belastungen, Erschöpfungssyndrome oder diffuse Schmerzsymptomatiken geht. Klassische Argumente:
- Es sei keine vollständige Arbeitsunfähigkeit, sondern nur eine Einschränkung
- Eine andere, zumutbare Tätigkeit sei theoretisch möglich
- Die Beeinträchtigungen seien nicht ausreichend durch ärztliche Befunde nachgewiesen
Im Fall Mustermann handelt es sich jedoch um gravierende Beeinträchtigungen, die eine berufliche Tätigkeit – in welcher Form auch immer – derzeit unmöglich machen. Eine Beschreibung der „aktuellen Tätigkeit“ war gar nicht mehr möglich, da Herr Mustermann vollständig aus dem Berufsleben ausgeschieden ist.
Wir haben ausführliche Atteste, Gutachten und Verlaufsdokumentationen beigebracht, um die Schwere der Beeinträchtigungen zu belegen – unter anderem auch unter Einbeziehung des behandelnden Facharztes. Dies entspricht der gängigen rechtlichen Anforderung, dass gesundheitliche Einschränkungen durch aussagekräftige medizinische Unterlagen nachgewiesen werden müssen.
Verzögerungstaktik durch wiederholte Nachforderungen
Eine weitverbreitete Methode der Versicherer ist es, Unterlagen nicht nur einmal, sondern in mehreren Schritten anzufordern – teils mit Wochen Abstand, teils mehrfach für denselben Zeitraum. Auch bei Herrn Mustermann wurde wiederholt nachgelegt:
- Gehaltsnachweise für Dezember 2021 bis Februar 2022
- Arbeitsvertrag
- Nachweis über eine Reha-Maßnahme, obwohl keine stattgefunden hatte
Ziel ist dabei oft nicht die objektive Sachverhaltsaufklärung, sondern schlicht Zeitgewinn. In vielen Fällen verlieren Antragsteller durch solche Verzögerungen die Nerven – oder geben sogar auf.
Unsere Strategie: Wir liefern alle relevanten Unterlagen gebündelt und frühzeitig. Unbegründete oder sachlich nicht haltbare Anforderungen weisen wir höflich, aber bestimmt zurück – mit Bezug auf den konkreten Sachverhalt und die vertraglichen Pflichten des Versicherers.
Das Argument der „nicht gesetzeskonformen Arbeitszeit“
Ein besonders fragwürdiges Argument, das Versicherer gelegentlich anführen, lautet: Die angegebene Arbeitszeit sei „nicht gesetzeskonform“ – und daher unglaubwürdig. Dabei wird suggeriert, dass der Versicherte nicht so viel gearbeitet haben könne, wie angegeben.
Dabei ist juristisch eindeutig: Es zählt allein die tatsächlich ausgeübte Tätigkeit, nicht, ob diese im Einklang mit dem Arbeitszeitgesetz stand. Überstunden, selbst wenn sie nicht vergütet oder dokumentiert wurden, sind Teil vieler Arbeitsrealitäten – insbesondere in Führungs- oder Projektpositionen.
Wir konnten nachweisen, dass Herr Mustermann regelmäßig über die vertraglich vereinbarte Arbeitszeit hinaus tätig war. Auch wenn solche Zeiten arbeitsrechtlich kritisch sein mögen, spielen sie in der BU-Leistungsprüfung eine zentrale Rolle – denn sie prägen den beruflichen Alltag und die Belastungssituation des Versicherten.
Wenn die Rechtsschutzversicherung nicht zahlen will
In vielen Fällen wird zur Absicherung eines möglichen Rechtsstreits eine Rechtsschutzversicherung abgeschlossen. Doch auch hier erleben wir oft Zurückhaltung bei der Kostenübernahme. Häufige Begründungen:
- Es habe noch keine rechtliche Auseinandersetzung begonnen
- Die Erfolgsaussichten seien unklar
- Der Versicherungsfall sei vor Vertragsbeginn eingetreten
Diese Einwände lassen sich juristisch bewerten und häufig entkräften. Im Fall Mustermann konnten wir deutlich machen, dass der Versicherungsfall – nämlich die Leistungsverweigerung – während des Rechtsschutzvertrags eingetreten ist. Zudem war erkennbar, dass der Streit mit der BU-Versicherung bereits begonnen hatte.
Ergebnis: Die Rechtsschutzversicherung hat die Deckung zugesagt und übernimmt nun die anfallenden Kosten für anwaltliche Vertretung und ggf. gerichtliche Schritte.
Fazit: Mit Strategie, Sachkenntnis und Ausdauer zum Erfolg
Unser Fall zeigt, mit welchen Tricks Versicherungen berechtigte BU-Leistungen verzögern oder verweigern wollen. Doch wer vorbereitet ist, sich rechtlich beraten lässt und konsequent handelt, kann seine Ansprüche durchsetzen.
Unsere Maßnahmen im Überblick:
- Lückenlose Dokumentation der beruflichen Tätigkeit, inkl. Überstunden und Anforderungen
- Fundierte medizinische Nachweise zu gesundheitlichen Einschränkungen
- Juristisch abgesicherte Stellungnahmen zur Auslegung der Vertragsbedingungen
- Aktive Kommunikation mit der Versicherung zur Vermeidung unnötiger Verzögerungen
- Durchsetzung der Deckungszusage der Rechtsschutzversicherung
Haben Sie Probleme mit Ihrer Berufsunfähigkeitsversicherung?
Sie haben Leistungen beantragt, aber die Versicherung stellt sich quer? Oder Sie sind unsicher, wie Sie Ihren Antrag korrekt und vollständig formulieren?
Dann sind Sie bei uns richtig. Wir begleiten Sie von der ersten Einschätzung bis zur vollständigen Durchsetzung Ihrer Ansprüche – außergerichtlich und, wenn nötig, vor Gericht.
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